1. Was genau ist Ihr Geschäftsmodell und wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Die Gründungsidee ist relativ einfach. Aus Sicht der Krankenhausträger ähneln sich die Herausforderungen der digitalen Transformation. Es macht daher Sinn, Mittel und Ressourcen trägerübergreifend zu bündeln, um den Mehrwert zu multiplizieren und den Aufwand zu teilen.
Nur mit relevantem Kapital können wir Innovation vorantrieben. Die Investition der Mitglieder ist also entsprechend hoch. Daher haben wir durch die Beitrittsgelder der Gründungsmitglieder mittelfristige Planungssicherheit.
In diesem Zeitraum geht es nun um die Entwicklung nachhaltiger eigener Geschäftsmodelle in einem zunehmend digitalisierten Gesundheitssystem. Im Kern geht es um die gemeinsame Projektentwicklung mit der Industrie oder Wissenschaft. Die Geschäftsmodelle können dabei variieren zwischen Beteiligungen, Provisionen und Dienstleistungen.
Das primäre Ziel unserer Initiative ist, die Digitalisierung der Mitglieder voranzutreiben und Mehrwerte für sie zu generieren.
2. Was waren Ihre Gründe für die Gründung einer Genossenschaft (Sie hätten ja auch eine andere Rechtsform wählen können)?
Erstens ist es als Genossenschaft im Vergleich zu einer GmbH leichter zu wachsen und neue Mitglieder aufzunehmen. Zweitens war es uns wichtig, dass die Mitglieder als Gleiche unter Geleichen agieren. Jede Stimme ist gleich viel wert, unabhängig von der Größe des jeweiligen Trägers. Und drittens wollen wir nach außen darstellen, dass es sich um eine mitgliedergetriebene Initiative handelt.
3. Macht die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft für Ihre Mitglieder einen Unterschied? Welchen? Ist der Mehrwert messbar?
Für unsere vier Mitglieder ist das Modell der Genossenschaft entscheidend. Die Herausforderung wird sein, diese Motivation auch im Wachstum und bei neuen Mitgliedern zu halten. Wichtig ist die Art der Zusammenarbeit.
4. Hat die Corona-Pandemie Folgen für Ihr Geschäftsmodell? Was hat sich für Ihr Unternehmen (zum Positiven / Negativen) verändert?
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens hat einen enormen Schub bekommen. Der Bund und die Länder stellen durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) den Krankenhäusern insgesamt bis zu 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Rahmen des KHZG haben wir die Mitglieder als Berater unterstützt. Für unser Geschäftsmodell selbst haben sich keine größeren Veränderungen ergeben.
Auf der anderen Seite war die Belastung der Krankenhäuser durch die Pandemie in diesen beiden letzten Jahren sehr groß, so dass Gefahr besteht, dass die Priorisierung von innovativen Projekten nachvollziehbarer Weise auch beinträchtig werden kann. Nichtsdestotrotz konnten wir mit allen geplanten Vorhaben vorankommen.
5. Was wünschen Sie sich von der Politik, auf welche Rahmenbedingungen kommt es für Ihr Geschäftsmodell an?
Die Politik hat sich in der digitalen Transformation des Gesundheitswesens in den letzten Jahren signifikant bewegt. Es herrscht jetzt eine Aufbruchsstimmung. Das müssen wir beibehalten. Wir müssen es schaffen schneller Innovationen ins Gesundheitssystem zu bekommen.
6. Wie lässt sich der Gründungsprozess von Genossenschaften vereinfachen? Was brauchen (junge) Gründer:innen?
Wir wurden durch den Genossenschaftsverband und eine externe Rechtsberatung intensiv betreut. Dennoch war der Zeitaufwand immens. Insgesamt hat der Gründungsprozess circa ein Jahr gebraucht. Eine innovative Unternehmensidee in eine eher traditionelle Rechtsform zu überführen war eine schwierige Herausforderung mit viel administrativen und kommunikativen Aufwand. Insgesamt muss eine Genossenschaftsgründung schneller und einfacher werden.
7. Welche relevanten gesellschaftlichen Entwicklungen (Megatrends) beeinflussen aus Ihrer Sicht die Lebensbedingungen in Zukunft? Gibt es Entwicklungen, die wirkmächtiger sind (im Hinblick auf ihre Folgewirkungen)?
Der demografische Wandel hat elementare Auswirkungen auf das Gesundheitswesen sowohl für die Patienten als auch für das Personal. Die Bevölkerung wird älter und der Bedarf nach Medizin und Pflege steigt entsprechend, gleichzeitig wird das Personal knapper. Hier kann die Digitalisierung einen entscheidenden Beitrag leisten.
Auch der gesellschaftliche Wandel beeinflusst das Thema Gesundheit. Lange Wartezeiten, Papier als Standard in der Kommunikation werden in einer Gesellschaft, die es gewohnt ist, per Handy und digital vieles zu erledigen, immer weniger akzeptiert. Die Erwartungshaltung gegenüber den Gesundheitsversorgern ändert sich.
8. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus den genannten Entwicklungen für Ihre Genossenschaft? Wo leisten Sie Pionierarbeit?
Der Druck auf das Gesundheitssystem wird zunehmen. Die Zahl der multimorbiden chronisch Kranken wird durch den demografischen Wandel zunehmen bei gleichzeitig knappen Kassen. Wenn wir die Qualität halten wollen, müssen wir effizienter werden. In anderen Branchen hat die Digitalisierung hier bereits ihren Mehrwert bewiesen. Die richtige Information muss im richtigen Zeitpunkt an die richtige Person gebracht werden und so zu einer besseren Entscheidung führen.
9. Wie sehen Sie die Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhalts allgemein, was macht Ihnen Sorge, was gibt Ihnen Hoffnung?
Ich persönlich sehe gewisse Risiken, was die Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhalts betrifft. Die Spaltung hat zugenommen, die Schere zwischen arm und reich ist größer, auch aufgrund des digitalen Fortschritts. All das kann in der Zukunft zu massiven Verwerfungen führen. Ich sehe derzeit wenig Lösungen für die Herausforderung, wie wir als Gesellschaft wieder näher zusammenkommen. Die Digitalisierung kann sicher auch Teil der Antwort sein.
10. Etwas weiter in die Zukunft gedacht: Wo sehen Sie Bedarfe und Handlungsfelder, für die Genossenschaften Lösungen anbieten können?
Eine Genossenschaft sucht gemeinsame Lösungen und einen Konsens als Gleiche unter Gleichen. Die Frage ist, wie sich die genossenschaftliche Idee des Zusammenhalts in die neue Realität übertragen lässt.
Es braucht einen gesellschaftlichen Konsens, um die ökonomischen und ökologischen Herausforderungen effektiv anzugehen, beispielsweise den Klimaschutz. Hier können Genossenschaften sicherlich perspektivisch einen Beitrag leisten
11. Zum Schluss, was glauben Sie: Steht Deutschland vor einer neuen Gründerzeit an Genossenschaften?
In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Genossenschaften und ihre Möglichkeiten weitgehend unbekannt. Die Unternehmensform war mir jenseits von Banken und Wohnen vor der eigenen Gründung nicht bekannt. Genossenschaften können Brücken bilden. Ich denke, diese Möglichkeiten sollten wir besser kommunizieren.
12. Wird es in Zukunft mehr Gründerinnen geben?
Es gibt einen anhaltenden Trend zu mehr Gründerinnen, der hoffentlich auch vor den Genossenschaften nicht Halt machen wird.
Die Pressemitteilung zur Trendstudie finden Sie unter:
https://www.genossenschaftsverband.de/newsroom/presse/pressemitteilungen/megatrend-studie-aufbruch-in-die-wir-oekonomie-mit-genossenschaften/